Die Stundung des Pflichtteilsanspruchs

Gemäß § 2331 a I BGB kann der Erbe die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.

Eine gerichtlich ausgesprochene Stundung nach § 2331a BGB stellt für einen konkreten Zeitraum ein Vollstreckungsverbot für den Pflichtteilsberechtigten bis zum Ablauf der Stundungsfrist dar.

Das OLG Rostock hat mit Urteil vom 20.06.2019, Aktenzeichen 3 U 32/17, eine Interessenabwägung gemäß § 2331 a BGB zwischen Erbe und Pflichtteilsberechtigten vornehmen müssen und hat hierzu entsprechende Kriterien herausgearbeitet.

Der Fall:

Der Pflichtteilsberechtigte, 62 Jahre alt, begehrte von der testamentarischen Alleinerbin, in Höhe von ca. 30.000,00 EUR seinen Pflichtteilsanspruch. Maßgeblicher Nachlassgegenstand war ein bebautes Grundstück, in das die Alleinerbin mit ihrer Familie einzog und bewohnte. Barvermögen war im Nachlass kaum vorhanden. Für das Nachlassgrundstück gab es entsprechende Kaufinteressenten.

Die Alleinerbin hatte im Klageverfahren Stundung des Pflichtteils beantragt.

Die Alleinerbin trug vor, die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche sei für sie eine unbillige Härte. Sie habe kaum liquides Vermögen und erhalte auch aufgrund dessen und weil sie keine nennenswerten Einnahmen, aber fünf Kinder habe, keinen Kredit bei Banken und sonstigen Darlehensgebern. Ihr Mann sei langzeitarbeitslos und könne auch nicht zum Unterhalt der Familie beitragen, und die wenigen Mittel, die sie hätten, müssten in den Unterhalt der Kinder und nicht in die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche fließen. Zum Zeitpunkt des Erbfalls habe sie studiert. Sie habe zwar mittlerweile einen Studienabschluss, aber aufgrund der Erziehung der fünf Kinder sei sie nicht in der Lage, Einkommen zu generieren und die Pflichtteilsforderungen zu bezahlen.

Das OLG Rostock hat des Stundungsbegehren der Alleinerbin trotz ihrer Einkommens- und Vermögenslage abgelehnt, da die Interessenabwägung zu Gunsten des Pflichtteilsberechtigten sprach.

Gegen die Alleinerbin sprach, dass sie nach eigenen Aussagen auch in ferner Zukunft nicht in der Lage sein wird, die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten zu befriedigen. Die Alleinerbin konnte keinen realistischen Zeitpunkt auch nicht in Jahren benennen, an dem sie die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten auch nur teilweise würde befriedigen können, und sieht sich auch außerstande, bis dahin kleine Raten an diesen zu begleichen. Sie hat insoweit zugestanden, von Kindergeld und sonstiger staatlicher Unterstützung ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Hätte die Alleinerbin eines der vorliegenden Kaufangebote für das Grundstück angenommen, hätte sie ausreichend Liquidität zur Verfügung gehabt, um den Pflichtteil zu bezahlen. Für den 62 Jahre alten Pflichtteilsberechtigten war es nicht zumutbar, noch Jahrzehnte auf eine Zahlung durch die Beklagte zu warten.

Das OLG Rostock zeigt die Grenzen für die Interessen des Erben auf. So ist vom Gesetz nicht vorgesehen, dass auf unbestimmte Zeit, bis der Erbe zufällig an Geld gelangt, eine Stundung durchgesetzt wird. Insoweit spielt zugunsten des Pflichtteilsberechtigten auch dessen Alter eine Rolle. Je älter dieser ist, umso weniger kann ihm zugemutet werden, lange Jahre bis zur Erfüllung des Pflichtteils zu warten.

Im vorliegenden Fall ist der Pflichtteilsberechtigte somit aus dem Nachlassgrundstück zu befriedigen. Die Alleinerbin wird ihren Wohnraum verlieren.