Wegfall der fiktiven Schadensabrechnung im Verkehrsunfallbereich?

Keine fiktive Schadensabrechnung mehr im Verkehrsunfallbereich?

Das Landgericht Darmstadt hat mit Urteil vom 17.06.2021, 23 O 572/20 entschieden, dass die vom BGH am 22.02.2018, VII ZR 46/17, ergangene Entscheidung zum Werkvertragsrecht bezüglich der Aufgabe der fiktiven Schadensabrechnung bei Schadenersatzansprüchen aufgrund vorhandener Werkmängel nunmehr auf sämtliche Schadenersatzansprüche jedweder Art Anwendung finden soll.

Das Landgericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass nur die tatsächlich entstandenen Kosten und der tatsächlich entstandene Aufwand entschädigt ersatzfähig ist. Eine fiktive Nutzungsausfallentschädigung sowie ein fiktiver Haushaltsführungsschaden wurden abgelehnt.

Eine fiktive Abrechnung der Reparaturkosten auf Gutachtenbasis scheidet ebenfalls aus. Das Landgericht Darmstadt gibt dem nunmehr auf die konkrete Schadensabrechnung beschränkten Geschädigten bei beabsichtigter und noch nicht erfolgter Schadensbeseitigung die Möglichkeit, das diesem nicht zumutbare Vorfinanzierungsrisiko zu nehmen. Der Geschädigte hat gegen den Schädiger unmittelbar aus §§ 249, 250 S.1, 242 BGB einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlichen Kosten der Schadensbeseitigung. Dieser Vorschuss ist, sobald die Reparatur abgeschlossen wurde, gegenüber dem Schädiger abzurechnen, wobei ein nach Instandsetzung verbleibender merkantiler Minderwert stets als ersatzfähiger konkreter Schaden anzusehen ist.

Will der Geschädigte seinen Schaden nicht beheben lassen, so ist er auf die Geltendmachung des Minderwertes der beschädigten Sache oder den Ausgleich seiner Vermögensminderung zu verweisen, die nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs vor und nach Schadenseintritt zu bestimmen ist.

Diese Entscheidung widerspricht dem Wortlaut von § 249 II BGB, der folgendes regelt:

Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Darüber hinaus ist ein Vorschussanspruch gemäß § 637 III BGB ausdrücklich für das Werkvertragsrecht geregelt.

Insoweit entscheidet das Landgericht Darmstadt auch bewusst entgegen der Entscheidung des BGH vom 12.03.2021, V ZR 33/19, der im Bereich des Kaufrechts weiterhin eine fiktive Schadensabrechnung zulässt.