Prämienerhöhung durch privaten Krankenversicherer

Unwirksame Beitragserhöhungen durch private Krankenversicherer

In den Entscheidungen des BGH vom 16.12.2020 unter den Aktenzeichen IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 sowie vom 14.04.2021, Aktenzeichen IV ZR 36/20, wurde dargestellt, wann einseitige Prämienerhöhungen des Versicherers unwirksam sind.

A. Gründe der Unwirksamkeit

  1. Keine ausreichende Begründung der Prämienerhöhung

Für eine wirksame Preiserhöhung muss der Versicherer die notwendige Beitragssteigerung gemäß § 203 VVG begründen. Erhöhungen, die unvollständig begründet sind, sind schon aus formalen Gründen unwirksam. Der Versicherer muss seine Prämienkalkulation zwar nicht offenlegen, jedoch reicht eine pauschale Begründung oder eine Wiedergabe des Gesetzestextes nicht aus. Ein Standardschreiben ohne Angabe, welche Grundlage der Berechnung sich konkret verändert hat, ist somit unzureichend. Der Versicherer muss mitteilen, ob sich die sogenannte Sterbewahrscheinlichkeit oder der Umfang der Versicherungsleistungen geändert hat, auf deren Grundlage eine Erhöhung erfolgen soll. Der Versicherer muss nicht im Einzelnen mitteilen, wie sehr die Rechnungsgrundlage angestiegen ist oder ob sich andere Umstände geändert haben, auch wenn diese die Prämie beeinflussen können.

  1. Die Versicherungsleistung wurde zum Zeitpunkt der Erst- oder einer Neukalkulation unzureichend kalkuliert

Zu niedrig kalkulierte Lockangebote zur Neukundengewinnung können bei einer nachträglichen Erhöhung der Versicherungsbeiträge gemäß § 155 III VAG unwirksam sein, wenn diese lediglich erfolgt, um nachträglich wieder auf eine ausreichende Rechnungsgrundlage der Prämien zu kommen.

  1. Missachtung der Schwellenwerte

Der Versicherer darf die Beiträge nur dann erhöhen, wenn er darlegen kann, dass die Krankheitskosten oder die Lebenserwartung der Versicherten zur vorherigen Kalkulation weiter steigen. Die §§ 203 II VVG i. V. m. § 155 III VAG legen Schwellenwerte fest, die überschritten sein müssen, um zu einer Erhöhung zu berechtigen. Für die Krankheitskosten liegt der Schwellenwert bei 10 %. Das heißt, dass eine Beitragserhöhung nur möglich ist, wenn die Krankheitskosten um mehr als 10 % über den kalkulierten Ausgaben liegen. Bei einer kalkulierten Sterbewahrscheinlichkeit liegt der Schwellenwert bei 5 %. Bei Kostensteigerungen unterhalb der Schwellenwerte sind Beitragserhöhungen ausgeschlossen. Ausnahmen hierfür können sich unter Umständen aus den Versicherungsbedingungen ergeben, wenn niedrigere Schwellenwerte vereinbart wurden. Das Landgericht Bonn, Urteil vom 02.09.2020, Aktenzeichen 9 O 396/17, sah eine nachträgliche Absenkung des Schwellenwertes als Verstoß gegen zwingendes Recht an.

  1. Kein unabhängiger Treuhänder

Gemäß §§ 203 II VVG i. V. m. § 155 III VAG ist zur Entscheidung über eine Beitragserhöhung ein unabhängiger Treuhänder zu beteiligen. Der Treuhänder hat zu prüfen, ob die Berechnung der Prämien mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang steht. In einer gerichtlichen Auseinandersetzung über eine Prämienerhöhung wird nicht mehr geprüft, ob der Treuhänder unabhängig war (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020, Aktenzeichen IV 314/19). Eine derartige Überprüfung ist lediglich über die Versicherungsaufsichtsbehörde BaFin möglich.

B. Rechte des Versicherten

Der Versicherte kann insbesondere die zu viel gezahlten Versicherungsprämien aufgrund einer unwirksamen Prämienerhöhung vom Versicherer innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist wegen ungerechtfertigter Bereicherung des Versicherers gemäß § 812 I BGB zuzüglich Zinsen gemäß § 818 I BGB zurückfordern.